Von Kopf bis Fuß …
Comedy & Theater Club eröffnet „Bar zum Crocodil“ im Italienischen Dörfchen
Wenn von den Goldenen Zwanziger Jahren die Rede ist, dann meist mit dem Zusatz der „sogenannten“. Und doch muss was dran gewesen sein an diesem Lebensgefühl, noch mal davongekommen zu sein und nun alle Chancen vor sich zu haben. Das unterhaltsame Liedgut dieses Jahrzehnts tönt noch heute davon.
Mit dem Wissen um die nur wenig später vom Zwölfjährigen Reich über die Welt gebrachten Schrecken wird freilich niemand die Uhr zurückdrehen wollen. Zumal sich all das Glitzergold der Zwanziger ohnehin nur als Pappmaché erwies. Dennoch laben wir uns noch heute an den Künsten der damals blühenden Kabarett- und Varieté-Branche. Es gibt da Lieder, die will man immer wieder hören.
Bei der Schauspielerin Teresa Weißbach ist das genauso. Die will man auch immer wieder sehen und hören. Ja, hören! Denn sie kann nicht nur spielen, sondern auch wunderbar singen. Dass es ein Fehler wäre, sie auf „Sonnenallee“ und „Gräfin Cosel“ zu reduzieren, ist ohnehin hinreichend bewiesen, schließlich agierte sie bei den Bayreuther Festspielen und war mehrere Jahre am Burgtheater Wien engagiert. Mit ihrem Auftritt beim Dresdner Comedy & Theater Club vorigen Freitag hat sie dennoch überrascht. Dabei ist ihr Programm „In der Bar zum Crocodil“, das sie gemeinsam mit dem Tänzer und Pianisten John R. Carlson präsentiert, schon gut zwei Jahre alt.
Die aus Zwickau stammende Aktrice hat dazu einen fiktiven Lebenslauf mit durchaus realen Ortsbezügen entwickelt. Ein junges Sternchen aus Chemnitz träumt vom großen Berlin – und schon nimmt sie ein starker Kerl im weißen Automobil mit auf die Reise. Doch der Wagen ist geliehen, der Kerl entpuppt sich als Gigolo und taucht bald ab Richtung Nil. Dort eröffnet er mit fremdem Geld die „Bar zum Crocodil“ und lockt Jahr um Jahr mit einer Postkarte die Liebste, ihm – mit dickem Portemonnaie, versteht sich – nach Ägypten zu folgen. Zehn Jahre aus diesem Leben blättert uns Teresa Weißbach vor, indem sie von der großen Liebe singt, von der Einsamkeit, vom Tingeltangel und von Zweifeln. Kunst oder Kinder? Berlin oder Bankrott?
Das heißt, geblättert wird nur von Mister Carlson, der aus den USA stammt, in Norddeutschland heimisch geworden ist und am weißen Flügel mit hinreißender Präsenz nicht nur die Noten wendet. Ein Kalendarium, auf dem, konkretem Zufall sei’s geschuldet, der 20. April feststeht und nur die Jahreszahlen wechseln, führt uns bis 1930. Gänzlich unaufdringlich gelingt die Metapher vom bevorstehenden Horror – für das Mädchen aus Sachsen sind Jugend, Hoffnung und Träume vergangen, für Deutschland und Europa steht die braune Nacht bevor.
Das muss gar nicht explizit ausgesprochen werden, der musikalischen Zeitreise gelingt das auch so. Teresa Weißbach singt mit einer beeindruckenden vokalen Wandlungsfähigkeit, dass sie „Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ sei, gibt die „Fesche Lola“, strickt sogar ein wenig „Winterreise“ ein, steppt Charleston, lässt mit Elvis das Alleinsein anklingen, schickt ihren untreuen Liebhaber („Schöner Gigolo, armer Gigolo“) in die Wüste und ist sich doch sicher: „Die Liebe höret nimmer auf“. Allein „Adieu, mein kleiner Gardeoffizier“ kündet von der wieder aufkeimenden Idiotie der Militanz.
Mit mal forcierten, mal verschleppten Tempi erzeugt das Duo enorme Wirkung. Die schöne Blonde besticht in roter Netzstrumpfhose ebenso wie im schwarzen Smoking. Und obwohl sie immer mal wieder ans Dresdner Sommerspektakel von 2011 erinnert, wird doch mit jeder Nummer klar, wie unterfordert Teresa Weißbach als Wedels Zwinger-Cosel gewesen ist.
Der Comedy & Theater Club wäre gewiss gut beraten, die „Bar zum Crocodil“ regelmäßig vom Nil an die Elbe zu laden – wenn sich herumspricht, wie spannend hier Liebes- und Zeitgeschichten interpretiert werden, sollte das Italienische Dörfchen stets brechend gefüllt sein.
Dresdner Neueste Nachrichten, 23. April 2012 von Michael Ernst
Aus PRINZ Dresden, Februar 2010:
Bis Ende 2009 musste man in Dresden zum Lachen noch in den Keller gehen, zumindest dann wenn man eine Vorstellung des Dresdner Comedy & Theater Clubs sehen wollte. Dieser hatte seine Bühne im historischen Keller des Restaurants Barococo am Altmarkt. Gerade mal 70 Zuschauer fanden darin Platz. Doch das hat sich Anfang des Jahres geändert, denn Heike Jack (Foto) von der Agentur Kulturperlen, künstlerische Leiterin und Moderatorin in Personalunion, zog mit dem Club einmal quer durch die Altstadt in die elegante Secundo Genitur auf der Brühlschen Terrasse. Dort stehen dem unterhaltungswilligen Publikum nun bis zu 99 Plätze zur Verfügung. Da ausgelassenes Lachen irgendwann hungrig macht, gibt es an der Bar jetzt verschiedene Snacks wie gefüllte Wraps oder Kartoffelsuppe mit Wiener Würstchen. Und wer Größeres zu feiern hat, kann den Raum auch für Firmen- und Familienfeste buchen.
Perlen vor die Säue und was Kultur sonst noch bietet
Der Comedy & Theater Club startet am Sonnabend mit einem Überaschungsprogramm in den neuen Spielplan
Hin und wieder schüttelt Heike Jack ihr Armband mit den kleinen weißen Perlen aus dem Ärmel ihrer Kostümjacke. Um den Hals der jungen Frau liegt eine Perlenkette. Und vor ihr auf dem Tisch ein Flyer mit dem Aufdruck „Kulturperlen“. Das ist der Name ihrer Agentur. Heike Jack vermittelt Künstler und organisiert Veranstaltungen mit künstlerischem Programm, auch Catering, wenn’s gefragt ist. Gestartet ist sie 2005 mit dem Plan, ausschließlich Schauspielern zu Engagements zu verhelfen. „Das hat sich schnell erweitert, es kamen andere Künstler hinzu“ erinnert sich Heike Jack. Viele Kunden – Firmen und Private – wünschten die Gestaltung einer ganzen Feier. Parallel dazu entwarf Heike Jack, die vor ihrer Selbstständigkeit an der Komödie und beim Internationalen Festival Theaterformen Hannover arbeitete, ihre eigene Kulturperlen-Reihe – die Schatzsuche für Erwachsene. Mit Heike Jack gehen die „Großen“ auf Tour durch die Stadt und erleben in Gruppen von zehn Teilnehmern eine Art thematische Rallye, beispielsweise „Typisch Sachsen“ – Dresdner Erfindungen sind gefragt, „Ein Schatz wie er im Buche steht“ – Orte und Worte Dresdner Dichter und Denker werden beleuchtet oder „Perlenfischer“ – wo die Schatzsucher erfahren, woher die Redewendung „Perlen vor die Säue werfen“ stammt. Der absolute Renner: „Die italienische Schatzsuche – auf den Spuren von Giacomo Casanova“ wandeln die Teilnehmer und lernen, wo überall in Dresden der Frauenheld gebrochene Herzen hinterlassen hat. Auf die Idee kam Heike Jack als sie einige zeit mit einer Italienerin zusammenarbeitete. „Beim Recherchieren habe ich spannende Dinge über Casanova und Dresden gefunden, von denen nur ganz wenige Leute wissen“ erzählt sie.
Seit einem Jahr hat Jack auch den Hut beim Dresdner Comedy & Theater Club auf. Bislang hieß das freie Theater ohne ein eigenes Haus nur Comedy Club. „Ich habe den Namen erweitert, weil inzwischen so viele Künstler das Programm mitgestalten, die nicht Comedy machen“, erklärt sie. Der frühere Chef Matthias Machwerk steht jetzt lieber auf der Bühne. Im Königskeller des Restaurants Barococo, Am Altmarkt 10 öffnet sich am Sonnabend zum ersten Mal nach der Sommerpause wieder der Vorhang. Den Start in die Spielsaison geben zahlreiche Künstler mit der „1. Geburtstags-Mix-Show“, die sonst mit eigenen Programmen im Comedy & Theater Club zu erleben sind …